Internet für alle

02. April 2014

In 24 Stunden könnte das EU-Parlament den demokratischen Charakter unseres Internets zerstören. Die EVP mit Herrn Ferber (CSU) an der Spitze, die größte Fraktion im EU-Parlament, drängt auf einen Gesetzesentwurf, der die Deutsche Telekom, Vodafone und andere große Telekommunikationsfirmen entscheiden lässt, wer schnellen Datenverkehr erhält ― während alle anderen gedrosselt oder sogar blockiert werden. Am Donnerstag geht es im Europäischen Parlament um die Netzneutralität in Europa. Die Europa-Abgeordnete der SPD Petra Kammerevert aus Düsseldorf kämpft mit vielen weiteren Netzpolitikern der Fraktion der europäischen Sozialdemokraten für ein offenes und neutrales Internet.

Das Europäische Parlament soll am Donnerstag in erster Lesung einen Verordnungsentwurf der Kommission zur "Vollendung des Digitalen Binnenmarktes" abstimmen. Neben der EU-weiten Abschaffung der Roaming-Gebühren zum 15. Dezember 2015 geht es hierin auch um die Frage, inwieweit wir in der EU ein offenes Internet gewährleisten.

Da sich die Netzpolitiker im federführenden Industrieausschuss mit ihrer Forderung nach einer gesetzlichen Absicherung der Netzneutralität und einer strengeren Reglementierung sogenannter "Spezialdienste" bislang nicht durchsetzen konnten, muss jetzt das Plenum über Alternativanträge der S&D-Fraktion abstimmen, die dies vorsehen.

Kein Zwei-Klassen-Internet

Es ist notwendig, ein demokratieförderndes, offenes Internet zu erhalten und zu gestalten. Das Netz muss Inhalten und deren Übertragung gegenüber neutral und dezentral statt monopolistisch organisiert sein. Die Kommission hat versucht, uns in ihrem Verordnungsentwurf die gesetzliche Absicherung der Netzneutralität als Ziel zu verkaufen. Doch bei genauerem Hinsehen ist das Gegenteil der Fall: die Etablierung eines Zwei-Klassen-Internets.

Diskriminierungsfreier Netzzugang für alle

Das Internet bietet enorme Potentiale für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Von zentraler Bedeutung sind der freie und offene Charakter des Mediums, ein funktions- und leistungsfähiges Netz sowie eine inklusive Netzarchitektur – das heißt: Allen Bevölkerungsgruppen und Marktteilnehmern werden diskriminierungsfreie Zugänge zu allen Inhalten wie auch aktive Beteiligungsmöglichkeiten gewährt.

Die gesetzliche Absicherung der Netzneutralität ist Grundvoraussetzung für die Ausschöpfung dieser Potentiale. Auf der Grundlage des offenen und diskriminierungsfreien Charakters hat sich das Internet als Innovationsmotor für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung erwiesen. Hierdurch wird kommunikative Chancengleichheit sichergestellt und Vielfalt von Meinungen und Informationen gewahrt. Darum darf die Neutralität und Offenheit des Netzes nicht allein den Kräften des Marktes überlassen werden.

Gleichbehandlung der Datenpakete

Mit unserem Antrag soll die grundsätzliche Gleichbehandlung und Diskriminierungsfreiheit aller Datenpakete, unabhängig von Herkunft, Ziel und Inhalt, gesetzlich abgesichert werden. Ein Netzwerkmanagement soll ausschließlich aus technischen Gründen zulässig sein. Spezialdienste soll es nur in geschlossenen Netzen geben, wenn für sie eine technische Notwendigkeit - die über ein rein wirtschaftliches Kapitalisierungsinteresse hinausgeht - besteht.

Nur so kann verhindert werden, dass Netzzugangsbetreiber künftig Pakete schnüren, die nur noch einen Zugang zu bestimmten Angeboten des Internets bieten. Wer über das Paket hinausgehende Dienste und Inhalte haben möchte, müsste in diesem Fall weitere Pakete hinzubuchen. Die Offenheit und Freiheit des Internets wie wir es kennen, wäre damit obsolet, weil es zu einer Art „Resterampe“ verkäme. Innovation würde verhindert, weil beispielsweise Start Ups gar nicht die finanziellen Möglichkeiten hätten, sich in solche Pakete einzukaufen.

Netzneutralität in ernster Gefahr

Wir haben am Donnerstag die Chance, diese Forderungen mit einer Mehrheit aus Sozialdemokraten, Liberalen, Linken und Grünen im Parlament gegen die Konservativen durchzusetzen. Gelingt uns das nicht, ist die Netzneutralität in ernster Gefahr, denn ein Verordnungsvorschlag ist unmittelbar geltendes Recht in allen Mitgliedstaaten. Auch Deutschland könnte dann keine weitergehenden nationalen Regelungen schaffen, um Netzneutralität zu sichern, ohne dabei gegen EU-Recht zu verstoßen.

Ein freies und offenes Internet sichern

Das Gesetzgebungsverfahren ist nach der 1. Lesung aber noch nicht beendet. Die Parlamentsentscheidung bildet die Grundlage für Verhandlungen mit dem Rat. Das Ergebnis wird dann vom neugewählten Parlament nochmals diskutiert und abgestimmt. Es kommt dann sowohl auf den Rat, als auch auf die deutsche Haltung und auf das neue Parlament an, ob es gelingt ein freies und offenes Internet zu sichern.