Wirtschaftskrise und Kampf gegen den Nationalsozialismus (1929 - 1933): Teil 8 Bis zur Machtübernahme III

Gerade die Wirtschaftskrise hatte die Abhängigkeit der Produzenten, der Landwirte, Handwerker und Geschäftsleute von der Kaufkraft der Konsumenten, von der Höhe der Löhne der Arbeiter deutlich gemacht. Deshalb versuchte die SPD hier anzusetzen, um den bäuerlichen und gewerblichen Mittelstand ins Bewusstsein zu rufen, dass es durchaus eine gemeinsame Interessenbasis zwischen Arbeiterschaft und Mittelstand gab.

Durch den Niedergang des Bauernbundes (auch unabhängig vom Vordringen der NSDAP) entstand ein politisches Vakuum, in das vorzudringen geradezu zur politischen Notwendigkeit für die Sozialdemokratie würde, wollte sie nicht einfach das Feld den Nazis überlassen. Von daher ist es auch kein Zufall, wenn der SPD-Landtagsabgeordnete Högg, der für die Betreuung des Landkreises Günzburg zuständig war, sich in seinen Versammlungen auch mit dem Thema beschäftigte: „Wie kann der Landwirtschaft und dem Konsumenten geholfen werden?“ Bei allen Unterschieden in den Interessenslage, die Aussicht – bei etwas gutem Willen auf beiden Seiten – vernünftige und für beide Seiten tragbare Kompromisslösungen zu finden, war keineswegs schlecht.

Auch wuchs in dieser Zeit der wirtschaftlichen Existenzkrise sowohl bei den Bauern als auch beim mittelständischen Mittelstand der Hass auf die wirtschaftlich Mächtigen, auch hier verbreitete sich das Gefühl, der Macht der Großagrarier und des Großhandels, der Trusts und Kartelle schutzlos ausgeliefert zu sein. Trotzdem suchten diese Stände nicht das Bündnis mit der Arbeiterschaft. Trotzdem war diese Zeit für eine Annäherung zwischen Arbeiterschaft und Mittelstand nicht günstig – im Gegenteil.

Die Zeit der Wirtschaftskrise war auch die Zeit des grenzenlosen wirtschaftlichen Egoismus. Bei Bauern und Mittelstand wuchs die Neigung, ihre eigene Existenzkrise auf dem Rücken der Arbeiterschaft lösen zu wollen. Die Naziparole von der „Zerschlagung der Gewerkschaften“ fand immer mehr Anklang bei diesen Ständen. Viele erhofften sich eine Erleichterung ihrer Lage, wenn nur erst einmal die Gewerkschaften und die von ihnen durchgesetzten Errungenschaften abgeschafft würden, unmittelbare wirtschaftliche Vorteile durch die Abschaffung der Lohntarife, der Arbeitszeitbestimmungen, der Arbeitsschutzgesetze und drastische Steuererleichterungen durch die Abschaffung der Arbeitslosenunterstützung und andere Leistungen dieser „übertriebenen Sozialpolitik“. Im festen Vertrauen auf die nationalsozialistischen Versprechungen, dass „alles anders werde“, begannen viele Bauern unmittelbar nach der Machtübernahme Hitlers, ihre Dienstboten nicht mehr nach den Tariflöhnen zu bezahlen, Handwerker und Einzelhändler begannen die Arbeitsschutzbestimmungen zu missachten. In den ersten Jahren des Dritten Reiches standen die Stände, die Hitler an die Macht gebracht hatten, noch hoch in der Gunst des „Führers“. Sie erhielten allerlei nachträgliche Wahlgeschenke: das Gesetz zum Schutz des deutschen Einzelhandels z.B. für den Mittelstand, das Reichserbhofgesetz und die Entschuldigungsaktion für die Bauern. Doch bald wandte Hitler sein Interesse anderen Dingen zu. Im Zusammenhang mit der Aufrüstung bescherte er den Bauern die Planwirtschaft, den Mittelständlern eine Verschärfung der Gewerbeaufsicht (die, dass muss man der Fairness halber sagen, auch den Arbeitern in den mittelständischen Betrieben zugute kam), dass ihnen Hören und Sehen verging. Zu Beginn des Krieges wurden dann allein in Berlin 10. 000 Einzelhandelsgeschäfte geschlossen und die dort Beschäftigten in die Rüstungsindustrie überführt. Als die Ersten zu ahnen begannen – viele wollten es sich immer noch nicht eingestehen - , dass sie betrogen worden waren, war es schon längst zu spät. Die Katastrophe war nicht mehr aufzuhalten.