Wirtschaftskrise und Kampf gegen den Nationalsozialismus (1929 - 1933): Teil 7 Bis zur Machtübernahme II

Die Aufdeckung des nationalsozialistischen Volksbetrugs, die Aufdeckung der Widersprüchlichkeit der nationalsozialistischen Versprechungen war ein weiteres wesentliches Element der sozialdemokratischen Aufklärungskampagne gegen die NS-Bewegung.

Dass die vielen NSDAP-Wähler im Landkreis nicht von sich aus die Widersprüchlichkeiten der NSDAP-Versprechungen ohne weiteres erkannten, lag auch zum Teil daran, dass die NSDAP hier im Landkreis, in dem die Bevölkerung in ihrer großen Mehrheit aus Bauern und Mittelständlern bestand, sich als reine bauern- und Mittelstandspartei gab und es peinlich vermied, auch gegenüber Arbeiterschaft weitreichende Versprechungen zu machen, weil dies natürlich das Misstrauen vieler Bauern und Bürger wachgerufen hätte. In anderen Gegenden, in denen die Arbeiterbevölkerung überwog, konzentrierten sich die Nazis in ihrer Propaganda dagegen ganz auf die Arbeiterschaft, dort arbeitete die Partei mit ganz anderen Parolen, dort versuchte sie auch, in den Betrieben nationalsozialistische Zellen (NSBO) aufzubauen. Von einer NSBO war im Landkreis natürlich nichts zu sehen und zu hören. Um also der Widersprüchlichkeit der nationalsozialistischen Versprechungen ganz erfassen zu können, hätte man schon einen Blick über die Kirchturmspitze hinaus werfen müssen, musste man schon die Gesamtsituation im ganzen Reich in etwa kennen. Von daher war es durchaus auch Aufgabe der Sozialdemokratie, hier die nötige Aufklärungsarbeit zu leisten. Doch der Großteil des Bürgertums dachte auch jetzt nicht daran, seine alten Scheuklappen gegenüber der SPD wenigstens einmal kurz abzunehmen, wenigstens einmal nachzudenken, ob nicht doch etwas dran sein könnte was die „Sozis“ sagen. Wenngleich dem einen oder anderen vielleicht doch ein Licht aufgegangen ist (immerhin mussten die Nazis bei den restlichen Wahlen im Jahr 1932 im Vergleich zu ihrem Ergebnis bei der Reichspräsidentenwahl im März im Landkreis laufend gewisse Verluste hinnehmen), so gelang es doch nicht, die Masse der Bauern und Mittelständler wachzurütteln, sie dazu zu bewegen, den geradezu phantastischen Versprechungen der Nazis mit den gebotenen Zweifeln, mit der gebotenen Vorsicht zu begegnen.

Aus dem bisher gesagten ergibt sich ganz klar, dass die SPD-Wahlpropaganda in diesen Jahren natürlich nicht allein auf die Arbeiter, sondern auch auf die Bauern und den Mittelstand ausgerichtet war, galt es doch nicht nur, die eigenen Wähler bei der Stange zu halten, sondern den Nazis möglichst viele Wähler zu entziehen. Dies war der einzige Weg, um den Nationalsozialismus tatsächlich wirksam zu bekämpfen. Noch besser als nur möglichst viele Wähler daran zu hindern, Hitler zu wählen, war es natürlich, auch möglichst viele dieser Wähler ins eigene Lager herüber zu ziehen. Dies bedeutete eine Öffnung der Partei für die Bauern und den Mittelstand, für die Günzburger SPD prinzipiell nichts Neues, da sie (ebenso wie der größte Teil der Bayerischen SPD), wie gesagt, schon früher zumindest ansatzweise einen „Volksparteikurs“ vertreten hatte und auch schon vor der Wirtschaftskrise versucht hatte, Mittelständler und Bauern, insbesondere Kleinbauern anzusprechen und für sich zu gewinnen. Diese Strategie wurde jetzt verstärkt fortgesetzt.