Wirtschaftskrise und Kampf gegen den Nationalsozialismus (1929 - 1933): Teil 3 Die Kommunistenhysterie

Selbstverständlich hat auch die SPD Wähler an die NSDAP verloren, und selbstverständlich gab es auch Arbeitslose, die in ihrer Verzweiflung NSDAP gewählt haben. Doch die Masse der Arbeitslosen im Landkreis Günzburg blieb ihrer angestammten Partei, der SPD, treu. Nur ein teil wandte sich einer anderen Partei zu, und dies war nicht die NSDAP in erster Linie sondern die KPD. Der Stimmanteil der KPD wuchs von 182 Stimmen 1928 bis auf 816 Stimmen Ende 1932 an, während die SPD von den 3296 Stimmen bei der Reichstagswahl 1928 immerhin noch 2951 Stimmen Ende 1932 halten konnte. Das heißt, dass die Kommunisten nicht nur Stimmen von der SPD sondern auch, ähnlich wie die NSDAP, viele bisherige Nichtwähler dazugewonnen haben.

Nicht die Nazis sondern die Kommunisten stellten also eine gewisse Bedrohung für das Wählerpotential der SPD dar, eine Bedrohung, die aber hier im Landkreis, und dies war ein Erfolg der Günzburger SPD, in engen Grenzen gehalten werden konnte. Lediglich in der bisherigen SPD-Hochburg Oberknöringen gelang den örtlichen Kommunisten ein klarer Durchbruch. In Oberknöringen errangen die Kommunisten in allen wahlen des jahres 1932 eine relative Mehrheit, knapp gefolgt von den Sozialdemokraten und den Nationalsozialisten. Ansonsten hielten sich die Erfolge der KPD in den anderen Arbeitergemeinden und den Kleinstädten in Grenzen. Auf ihrem Höhepunkt 1932 erzielte die KPD 10% der Stimmen in Bühl gegenüber fast 50% für die SPD. In Ichenhausen bekam sie etwa 9% gegenüber mehr als 20% für die SPD, in Burgau 4,8% gegenüber 22% für die SPD und in Günzburg 4,6% gegenüber 16,6% für die SPD.

Obwohl die Kommunistenführer hemmungslos den Haß gegen die Sozialdemokratie ("Sozialfaschisten") predigten, hat die Günzburger SPD unter der Führung Geiselharts den Kampf gegen die Kommunisten mit großer Klugheit und Besonnenheit geführt. Trotz aller Provokationen ließ sich die SPD nicht dazu verleiten, nun Gleiches mit Gleichem zu vergelten, sondern ließ die Angriffe der Kommunisten ins Leere gehen, schenkte ihnen kaum Beachtung und konzentrierte sich - in ihrer Propaganda - ganz auf die Bekämpfung des nationalsozialismus, Die Kommunisten wurden höchstens am rande mit ein paar spöttischen Bemerkungen ("Keine Stimme dem russischen Reitergeneral Thälmann...") bedacht. dabei hat die Partei - bewußt oder instinktiv - genau das richtige getan: Sie hat es peinlich vermieden, in die um sich greifende, von den Nazis geschürte Kommunistenhysterie einzufallen, ein Fehler, den andere Parteien, z.B. der Bauernbund und die BVP laufend begingen, und wodurch sie - sicher ohne es zu wollen - nur den Nazis in die Hände spielten.

Die wachsende Kommunistenhysterie - vor allen Dingen beim Bürgertum - beruhte auf der Tatsache, dass, als Folge der Wirtschaftskrise, die KPD-Stimmen bei den reichstagswahlen ständig anschwollen bis auf 16% der abgegebenen Stimmen im Reich). Der Gedanke, eine kommunistische Machtübernahme stehe vor der Tür, begann in den Köpfen einiger zu Panikreaktionen neigender Bürger zu spuken. Die Nazis griffen die Parolen auf, prophezeiten den nahen Untergang Deutschlands, wenn nicht - "eine starke Partei" (natürlich die NSDAP) endlich dem Vormarsch des Kommunismus Einhalt geböte. In Wirklichkeit existierte diese "gigantische Gefahr" gar nicht. Mit klarem Kopf betrachtet, besteht kein Zweifel, dass die Kommunisten nur durch Bürgerkrieg und Generalstreik hätten an die Macht kommen können. Aber für einen Generalstreik hatten sie noch lange nicht den Rückhalt in der Arbeiterschaft, die in ihrer Mehrheit immer noch treu zur Sozialdemokratie stand, ganz abgesehen davon, dass bei sechs Millionen Arbeitslosen ein Generalstreik eine ziemlich stumpfe Waffe gewesen wäre. Und bei einem Bürgerkrieg hätte sich der Rorfrontkämpferbund, die Truppe der KPD, nicht einmal gegenüber der SA durchsetzen können, geschweige denn gegenüber den bewaffneten Einheiten der Polizei oder der reichswehr, deren jüngstes Offizierskorps sehr stark von Nationalsozialisten durchsetzt war, und die in einem solchen Fall bestimmt nicht Gewehr bei Fuß gestanden hätte. Nein, eine ernsthafte Gefahr einer kommunistischen Machtübernahme hat es damals nicht gegeben, aber für die Nazis war es nützlich, so lange darüber zu reden, bis man anfing daran zu glauben. Zwar haben die wenigsten Wähler deshalb die Nazis gewählt, weil sie ernsthaft eine tiefe Furcht vor einer kommunistischen Machtübernahme hatten, sie haben es vor allen Dingen aus wirtschaftlichen Motiven getan.Dennoch war die herbeigeredete Kommunismusgefahr ein wichtiger Faktor für den nationalsozialistischen Aufstieg. Auf diese Weise konnte mancher besonnene NSDAP-Wähler, der an dem radikalen Auftreten der Nazis und an anderen Schönheitsfehlern dieser Partei Anstoß nahm, seine inneren Zweifel besänftigen. Denn so lange er - manchmal auch mit einem kleinen unbewußten Selbstbetrug - sich selbst davon überzeugte, dass deutschland in Gefahr sei, solange konnte er sich "mit gutem gewissen" einreden, dass ihm gar nichts anderes übrigbleibe, als nun die Nazis zu wählen, die "einzige Partei, die nun Deutschland noch retten könne". Fürwahr, es wäre ein großer Fehler gewesen, hätte die SPD durch die Beteiligung an der Kommunistenhetze die Nazis in ihrer psychologischen Kriegsführung, in ihrem teuflisch-genialen Vorgehen auch noch unterstützt.

Das herunterspielen des Kommunistenproblems - und zwar durch Nichtbeachtung und nicht durch verbale Besänftigungen, die nur immer wieder neue Zweifel geweckt hätten - war hier die einzig richtige Lösung. Für die SPD gab es einen viel wirksameren Weg, die Kommunisten zu bekämpfen, und zwar indem sie alles tat, um ihre eigene Wählerschaft davon abzuhalten, in ein radikales Lager abzuwandern, indem sie alles tat, ihre Wähler "bei der Stange zu halten". Und das konnte man ohnehin nur durch Taten. Das Vertrauen der Wähler zur SPD basierte nicht auf großen Propagandaparolen, sondern voe allem auf der alltäglichen mühsamen Kleinarbeit, auf der Interessenvertretung "vor Ort", im Gemeinde- oder Stadtrat, in der Gewerkschaftsarbeit. Indem man diese Arbeit auch unter den neuen, schwierigeren bedingungen fortsetzte, darauf vertrauend, dass der besonnene Teil der arbeiterschaft auch jetzt und gerade jetzt keine Wundertaten oder Zauberei sondern vernünftige, realisierbare Maßnahmen, um aus der trüben Lage noch das Beste zu machen, erwartete, wurde den Kommunisten still und ohne großes Aufheben einfach das Wasser abgegraben.