Die Revolution (1918/19) Die Ziele der Arbeiterräte

Was wollten die Arbeiterräte? Sie wollten übergangsweise, d.h. bis zum Inkrafttreten einer neuen Verfassung und bis zum Zusammentritt der neugewählten Parlamente in Reich, Ländern und Gemeinden, die politischen Verhältnisse am Ort im Sinne der Interessen der Arbeiterschaft mitbestimmen.

Die königlichen Beamten und bürgerlichen Honoratioren sollten nicht weiterhin alleine das Sagen haben. Die erste Forderung der Arbeiterräte zielte daher immer auf die Aufnahme einer gewissen Anzahl von Mitgliedern des Arbeiterrates in die Gemeindemagistrate und -kollegien, bzw. in den Distriktsrat. Die verschreckten Gemeindehonoratioren gaben überall dieser Forderung nach, nirgendwo regte sich der geringste Widerstand. In den Magistrat der Stadt Günzburg wurden zum Beispiel drei, in das Kollegium der Gemeindebevollmächtigten sechs Arbeiterräte aufgenommen. Aber nicht nur gegenüber politischen Institutionen, auch gegenüber den Unternehmern traten die Arbeiterräte mit Forderungen auf. So wurde z.B. schon 14 tage nach gründung des Arbeiterrates in der Günzburger Fabrik der Süddeutschen Baumwoll-Industri (SBI) der Achtstundentag eingeführt, wenig später in allen gewerblichen Betrieben. Auch der Vorsitzende des Arbeiterausschusses (Betriebsrats) der Maschinenfabrik Mengele, Leopold Vogt, konnte melden, dass die Firma den Forderungen der Arbeiterschaft (z.B. Ausbezahlung der Teuerungszulagen) weitgehendst entgegengekommen sei.

angesichts des großen Hungers musste natürlich die Verbesserung der Ernährungslage das vordringlichste Ziel der Arbeiterräte sein. Besonders katastrophal war es im Landkreis um die Brot- und Fettversorgung bestellt. Auf Veramlassung des Arbeiterrats wurde ein Lebensmittelausschuß beim Magistrat der Stadt Günzburg in enger Verbindung mit dem Kommunalverband (der Zwangsbewirtschaftungsstelle) eingerichtet, der zu einem Drittel von Arbeiterräten besetzt war. Auf Druck der Arbeiterschaft begannen scharfe Ablieferungskontrollen, auch vor Beschlagnahme wurde nicht zurückgeschreckt.Bäckereien, "welche sich absolut keine Mühe gaben, aus dem Vorhandenen das Bestmögliche herzustellen", wurden durch Mehlabzug bestraft. Das Informationsnetz der Arbeiterräte spielte eine wichtige Rolle. So brachte z. b. der Arbeiterrat Limbach gravierende verstöße gegen die Milchablieferungspflicht zur Anzeige. Binnen weniger Monate konnte die wöchentliche Butterration um die Hälfte (von 40 auf 64 Gramm pro Kopf) aufgestockt werden, wodurch natürlich der Hunger noch lange nicht verschwand. Um das gesamte Mehl für das Brotbacken zur Verfügung zu haben, forderte die Vertrauensmännerversammlung der freiorganisierten Arbeiterschaft des Landkreises Günzburg u.a. ein sofortiges und absolutes Kuchenbackverbot, - während die Arbeiterfamilien hungerten, saßen die Damen der Gesellschaft in den Cafes und verspeisten ihre Kuchenration. das hatte man im Obrigkeitenstaat jahrelang zähneknirschend hinnehmen müssen, jetzt, im neuen Volksstaat, sollte es dies nicht mehr geben. Die Günzburger Bürgerschaft jedoch schrie Zeter und Mordio. Gehässige Stimmen setzten die Parole von der "Diktatur Geiselhart" in Umlauf. Wenn die hiesigen Arbeiter- und Soldatenräte eines nicht wollten, so war sies die Diktatur, auch nicht die Diktatur der Arbeiterräte. So waren bei der großen Massenversammlung am 11.November, in deren Verlauf der Arbeiterrat Günzburg gegründet wurde, Stimmen aus der Menge laut geworden, die verlangten, man solle zum Rathaus ziehen und es gewaltsam besetzen. Doch Otto geiselhart, der gerade das Wort hatte, hielt den Zurufern entgegen, daß das Bezirksamt bereits den Forderungen des schon gegründeten Bezirksarbeiterrates auf Aufnahme von Arbeiterräten in die Gemeindevertretungen nachgegeben habe, und auch Bürgermeister Hanner habe schon erklärt, daß er sich den neuen Verhältnissen füge und in Günzburg ebenso verfahren werde. Wörtlich sagte Geiselhart: "Wenn uns die bisherigen Machthaber schmählich behandelt haben, so dürfen wir doch nicht Gleiches mit Gleichem vergelten. In der Bildung eines neuen Staates begriffen, haben alle Berufsschichten das Recht der freien Meinung." Für die anderen Stände gab es ja auch Räte, in fast jeder Gemeinde einen Bauernrat, in den Städten Räte der geistigen Arbeiter. Es gab zwar keine eigenen Bürgerräte, was gelegentlich beklagt wurde, aber im Bauernrat Günzburg saßen z.B. neben 4 Landwirten 8 Angehörige des Mittelstandes. Beamte und Angestellte waren in den Räten der geistigen Arbeiter vertreten, in Ichenhausen gab es sogar einen eigenen Beamtenrat.