Die mageren und fetten Jahre der Weimarer Republik (1920 - 1928) Teil 3 Repressalien gegen die SPD

Obwohl in Deutschland nun eine Republik bestand, und obwohl die SPD zu den Parteien gehörte, die sich am nachdrücklichsten zu der neuen Staatsform bekannten, war die Partei - und die ihr nahestehenden Vereine - vor diskriminierenden Maßnahmen seitens staatlicher Stellen keineswegs geschützt. Gerade in der "Schwächezeit" der Arbeiterbewegung, auf dem Höhepunkt der Inflation, sah so mancher im alten Denken verhaftete Beamte die Zeit gekommen, dieser Partei wieder einmal eins auszuwischen.

So erließ der neue Bezirksamtmann, Dr. Quaglia, am 17.November 1923 folgende Verfügung: "Da bei der gegenwärtigen politischen Einstellung der Sozialdempkratischen Partei nicht die unbedingte Gewähr dafür geboten ist, dass die von der partei veranstalteten Versammlungen der Stärkung des staatlichen Ansehens und der Eiederbelebung des vaterländischen Geistes dienen, bedauere ich zur Erteilung der mit Eingabe vom 16. ds.(Monats) beantragten Genehmigung für die... in Günzburg, Offingen, Großkötz und Burgau beabsichtigten öffentlichen politischen Versammlungen der Sozialdemokratischen Partei... nicht in der Lage zu sein." gez. Dr. Quaglia

Nun, die Sympathien des DR. Quaglia lagen bei anderen Parteien, vornehmlich bei der eben gegründeten NSDAP, deren "vaterländische Zuverlässigkeit" er in seinen Berichten an die vorgesetzte Dienststelle gar nicht genügend hervorheben konnte. Auf diesen Punkt werden wir im nächsten Kapitel zurückkommen.

Auch die Vereine der Arbeiterbewegung, Arbeitersportvereine, freie Gesangsvereine, usw. sahen sich nicht selten einer gewissen Diskriminiereung ausgesetzt. So verweigerte beispielsweise die bürgerliche Mehrheit im Stadtrat Günzburg dem freien Sportverein und dem Arbeiterradfahrerbund Günzburg beharrlich die Mitbenützung der städtischen Turnhalle. Selbst als 1928 die neue Turnhalle gebaut wurde und die beiden Vereine in einer Eingabe darum baten, wenigstens die alte Turnhalle benutzen zu dürfen, wurde die Behandlung des Antrags laufend vertagt und schließlich im März 1930 mit dem Hinweis auf Ansprüche anderer organisationen (u.a. der Sportabteilung der NSDAP!) endgültig abgelehnt. Der Appell Geiselharts am 21. Dezember 1931, dass der freien Sportbewegung seit jahren zugefügte Unrecht endlich wieder gutzumachen, stieß auf taube Ohren. Die Stadtratsmehrheit (Bürgerliche und Nationalsozialisten) beharrte auf ihrem Standpunkt, der faktisch den Ausschluß eines Teiles der Bevölkerung von der Mitbenützung stästischer Einrichtungen zur Folge hatte.

Es gab auch noch andere Möglichkeiten, wie man den unliebsamen sozialdemokratischen Vereinen auf den Leib rücken konnte.

Einen "ungünstigen Einfluß" auf die Jugend vermutete die bürgerliche Presse, als die Gründung einer "Freien Jugendgruppe" in Günzburg bekannt wurde. In infamer Weise unterstellte der Artikelschreiber, dass die sozialdemokratische Jugendarbeit generell auf die Untergrabung der Autorität der Meister und Lehrherrn abziele. In Wirklichkeit ging es aber vielmehr darum, so gut wie möglich dagegen anzukämpfen, dass weiterhin Lehrlinge von pädagogisch unfähigen Meistern als Freiwild behandelt wurden. Meister, die nicht nur als berufliche Spezialisten, sondern auch als Erzieher ihr Handwerk verstanden, hatten sie es nie nötig, sich durch Gebrüll und Schläge "Autorität" zu verschaffen. Sie wurden bereitwillig von ihren Lehrlingen als Autorität anerkannt.

Übten die Naurfreunde einen "schlechten Einfluß auf die Jugend" aus, nur weil an ihren Ausflügen und Unternehmungen die ganze Familie und nicht nur die Erwachsenen teilnahmen? Freilich entsprach nicht immer alles den damals herrschenden bürgerlichen Normen und Vorstellungen - doch im gegensatz zu den Bürgerhäusern konnte sich der gewöhnliche Arbeiterhaushalt kein kindermädchen leisten. Und was für die Kinder letztlich besser war, ist eine ganz andere Frage.

In der nächsten Folge: Die mageren und fetten Jahre der Weimarer Republik (1920 - 1928) Teil 4