Echte Reform oder eher ein Reförmchen?

24. Juli 2012

Schwäbisches Fachgespräch nimmt neues Gesetz zur Kinderbetreuung unter die Lupe. Experten fordern mehr Investitionen in Qualitätsverbesserung.

Auf große Resonanz ist das Schwäbische Fachgespräch zur anstehenden Novellierung des Bayerischen Kinderbildungs- und betreuungsgesetzes (kurz: BayKiBiG) gestoßen. Ist die geplante Gesetzesänderung eine echte Reform oder eher ein Reförmchen? Diese Frage stellte die SPD-Abgeordnete Dr. Simone Strohmayr, um mit Antworten aus Expertenkreisen die Landtagsdebatten anzufeuern. Die Bildungspolitikerin, die bereits in der Entwicklungsphase des BayKiBiG vor sieben Jahren gegen dessen „Kinderkrankheiten“ protestiert hatte, betrachtet die Gesetzesänderung „als längst überfällig“. Verbesserungen wünschen sich auch Erzieher, Träger-Vertreter und Fachberater. Rund 70 Personen diskutierten auf Strohmayrs Einladung hin bei der Veranstaltung im Haus der Familie in Stadtbergen eifrig mit. „Bis zur Beschlussfassung bleibt nur noch wenig Zeit. Wir müssen also kräftig rudern, wenn wir noch etwas entgegensetzen wollen“, betonte Hans Scheiterbauer-Pulkkinen. Der Kinder- und Jugendreferent der schwäbischen Arbeiterwohlfahrt (AWO) erläuterte in seinem Vortrag die Eckpunkte der Novellierung und die Sichtweise der AWO. Uneingeschränkt befürwortet wird zum Beispiel die Abschaffung der Gastkinderregelung, denn dadurch können Eltern ortsungebunden unter den Einrichtungen wählen. Moniert wird jedoch unter anderem der Plan, das dritte Kindergartenjahr und nicht wie empfohlen das erste beitragsfrei zu stellen. Der Freistaat lässt sich das nach Aussagen der Staatsregierung im ersten Jahr 60 Millionen, im zweiten sogar 125 Millionen Euro kosten, laut Strohmayr „ein Wahlgeschenk“. In die Qualitätsverbesserung, vermeldet die Opposition, flössen hingegen nur 33 Millionen (das sind umgerechnet etwa sechs Euro mehr pro Kind und Monat), die für den verstärkten Personaleinsatz vorgesehen sind. „Es ist enttäuschend: Das meiste Geld fließt in die Beitragsfreiheit. Die Verbesserung der Qualität wäre aber wichtiger“, brachte es Scheiterbauer-Pulkkinen auf den Punkt und forderte unter anderem, dem erhöhtem Personalbedarf insbesondere für unter Dreijährige und für Kinder mit Behinderung stärker Rechnung zu tragen, Horte nicht als Lückenfüller zu benutzen für ein fehlendes Gesamtkonzept in der Schulkinderbetreuung, bei gleicher BayKiBiG-Finanzierung nicht weniger Anforderungen an die Tagespflege zu stellen als an die Kindertagesstätten sowie – ebenfalls ein Brennpunkt – endlich die Finanzierung von Fachpersonal für den Krankheitsfall zu regeln. „Doch woher kommt das Fachpersonal? Wer möchte bei den niedrigen Löhnen überhaupt noch den Erzieherberuf ausüben? Und warum wird uns keine Zeit und kein Budget gegeben, um Berufspraktikanten vor Ort auszubilden?“, war aus der Runde zu hören. Scheiterbauer-Pulkkinen regte ein dual-orientiertes System zwischen Fachschulen und Trägern an, wie es in Baden-Würtemmberg schon modellhaft erprobt werde. „Leider sind zu wenige Erzieherinnen in Gewerkschaften organisiert. Wir müssen wirklich daran arbeiten, dass der Berufsstand ein anderes Selbstbewusstsein bekommt“, merkte Strohmayr an. Der SPD-Kreisvorsitzende Roland Mair, der vom Podium aus mitdiskutierte, appellierte ebenfalls an die Solidarität: „An den Rahmenbedingungen, insbesondere am Gehalt, muss man wirklich etwas ändern, denn Erziehungsarbeit ist ein wichtiger Dienst am Menschen.“

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