Lieber Achim,
herzlichen Dank für Dein Schreiben und das darin enthaltene und unterstützenswerte Plädoyer für die Solarenergie. Ich möchte Dir auch im Namen von Heinz Paula antworten.
Die Bundesregierung verbreitet mit ihren neuesten Kürzungsplänen zur Solarförderung Chaos und Unsicherheit in der Branche. Anstelle mit Bedacht und Augenmaß die Vergütungen schrittweise an die Kostenentwicklung anzupassen und die Systemintegration der Photovoltaik (PV) voranzutreiben, vollführt die Bundesregierung eine systematische Kehrtwende und will die Zukunft der Branche in die Hände der Ministerien legen.
In den vergangenen Jahren sind der Branche tiefgreifende Kostensenkungen in der Produktion gelungen. Die Solarstromförderung über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) konnte innerhalb von vier Jahren halbiert werden. Bis heute hat die Bundesregierung allerdings zu keiner verlässlichen Regelung gefunden. Die hohen Vergütungskürzungen der letzten zwei Jahre und die hitzigen Debatten über einen möglichen Förderstopp haben vielmehr Torschlusspanik erzeugt, zu Marktüberhitzungen geführt und somit dem Zubau-Boom nur noch mehr Nahrung gegeben. Nun darf nicht ignoriert werden, dass das Gros der Vergütungszahlungen auf längst installierte Anlagen zurückgeht und nicht mehr reduziert werden kann. Umso wichtiger ist heute, dass wir die bereits getätigten Investitionen nicht ins Leere laufen lassen. Denn es gibt viele gute Gründe für die Photovoltaik in Deutschland: Sie ist nicht nur unverzichtbarer Teil der Energiewende und des Klimaschutzes, sondern generiert regionale Wertschöpfung in Milliardenhöhe. Für die Bürgerinnen und Bürger bietet sie vielfältige Beteiligungsmodelle. Darüber hinaus liefert sie genau dann den meisten Strom, wenn er am dringendsten benötigt wird, nämlich zur sogenannten Mittagsspitze. Das wiederum dämpft den Börsenpreis, wovon auch Großkunden aus der deutschen Industrie in großem Umfang profitieren.
Gleichzeitig ist klar, dass eine Überförderung kontraproduktiv für die Weiterentwicklung der Solarindustrie ist. Das EEG war seit jeher ein Instrument zur Markteinführung, das durch regelmäßige Degressionsschritte Kostensenkungen anreizen sollte. Um die geplanten Veränderungen besser bewerten und um prüfen zu können, ob die geplanten Kürzungen für die deutsche Solarindustrie verkraftbar sind, werden wir am 21. März eine Expertenanhörung im Umweltausschuss durchführen.
Die Bundesregierung plant allerdings Änderungen am Erneuerbare-Energien-Gesetz, die wir keinesfalls so hinnehmen werden.
Die Vergütungssätze sollen zukünftig 19,5, 16,5 und 13,5 Cent pro Kilowattstunde betragen. Das entspricht Kürzungen von etwa 20 Prozent bei kleinen, 25 Prozent bei mittleren und 30 Prozent bei großen Anlagen. Freiflächenanlagen werden nunmehr ausschließlich mit 13,5 Cent vergütet. Ab Mai 2012 sollen die Vergütungssätze darüber hinaus für alle Anlagen monatlich um 0,15 Cent pro Kilowattstunde abgesenkt werden, der bisherige atmende Deckel entfällt komplett. Die Neuregelungen sollen bereits zum 9. März 2012 in Kraft treten. Anlagen über 10 Megawatt müssen bis zum 9. März einen Bebauungsplan vorweisen und bis Ende Juni 2012 realisiert werden, um die alte Einspeisevergütung zu erhalten. Darüber hinaus gehende Regelungen zum Vertrauensschutz sind bisher nicht vorgesehen. Das halten wir für nicht gerechtfertigt. Zahlreiche bereits geplante Projekte stünden somit kurz vorm Scheitern. Hier muss dringend nachgebessert werden. Die festen monatlichen Vergütungsabsenkungen lehnen wir ab. Zwar begrüßen wir mehrmalige unterjährige Degressionsschritte (quartalsweise), befürchten aber, dass die monatlichen Kürzungsschritte insbesondere den Handwerkern vor Ort sowie den Verteilnetzbetreibern einen unverhältnismäßig hohen organisatorischen Aufwand abverlangen. Die geförderte Strommenge soll unter dem Deckmantel der „Marktintegration“ darüber hinaus bei Anlagen bis 10 Kilowatt auf 85 Prozent und bei allen größeren Anlagen auf 90 Prozent der in einem Kalenderjahr erzeugten Strommenge begrenzt werden. Hierbei handelt es sich um einen klaren Systembruch und eine Kürzung durch die Hintertür. Wir setzen hingegen auf positive Anreize, um die Erneuerbare Energien in den Markt zu integrieren. Dazu gehört neben dem Eigenverbrauchsbonus der von uns seit langem geforderte Kombikraftwerksbonus und das bewährte Grünstromprivileg, das im vergangenen Jahr von der Bundesregierung quasi abgeschafft wurde.
Zusätzlich soll dem Bundesumweltministerium im Wege einer Verordnungsermächtigung ohne Beteiligung des Bundestages das Recht eingeräumt werden, in Abstimmung mit dem Bundeswirtschaftsministerium Vergütungssätze, Degression und Marktintegrationsmodell durch eine Rechtsverordnung zu ändern. Damit greift die Bundesregierung in den Kern des EEG ein. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist im Bundestag entstanden und soll auch in der Hand der Parlamentarier bleiben. Mit der Verordnungsermächtigung werden Bundestag und Bundesrat in ihrem Mitspracherecht beschnitten und das Schicksal des EEG und der Erneuerbare-Energien-Branche in die Hand der Ministerien gelegt. BMWi und BMU könnten zukünftig machen, was sie wollen – ohne Vorwarnung. Die Branche verliert damit jegliche stabile Rahmenbedingungen.
Nun haben sich die Akteure auch endlich über die sog. 50,2 Hertz-Problematik geeinigt: Es wird ermöglicht, die Kosten aus der Nachrüstung von PV-Anlagen zur einen Hälfte über die EEG-Umlage und zur anderen Hälfte über die Netzentgelte zu wälzen. Wir begrüßen diese Einigung, um eine schnelle und unbürokratische Umrüstung von 315.000 Photovoltaikanlagen sicherzustellen. Verzögerungen sind nicht in unserem Sinne und nicht im Sinne der Energiewende. Die Belastung der Stromkunden hält sich bei einer Kostenwälzung über die Netzentgelte und die EEG-Umlage dabei mit hundertstel Cent-Beträgen pro Kilowattstunde im Zeitraum des Nachrüstungsprogramm von drei Jahren in Grenzen.
Die SPD-Fraktion fordert verlässliche Rahmenbedingungen Wir fordern bereits seit Anfang 2011 vierteljährliche Vergütungsabsenkungen bei der Solarförderung, die sich der Marktentwicklung anpassen, Kontinuität in den Markt bringen und der Branche ein gesundes Wachstum ermöglichen sollen. So wollen wir verlässliche und stabile Rahmenbedingungen für Investoren, Hersteller und Handwerker schaffen. Wir wollen auch weiterhin einen dynamischen Ausbau der Photovoltaik. Im Freiflächensegment treten wir für eine deutliche Stärkung der Planungshoheit der Kommunen ein. Zudem wollen wir die netzstabilisierende Wirkung von Großanlagen verstärkt anreizen und dem gesamten System zu Nutze machen.
Entscheidend für die Zukunft ist neben Fragen der Netzintegration von PV-Strom, dass der Zubau zu möglichst geringen Kosten erfolgt, um die Stromverbraucher nicht unnötig zu belasten. Die Photovoltaik sollten wir aber nicht ausgerechnet dann abwürgen, wenn sie günstig wird. Wertschöpfung würde so massiv verloren gehen. Der weitere Zubau wird zudem aufgrund der stark gesunkenen Vergütungssätze nur noch einen vergleichsweise geringen Einfluss auf die Entwicklung der Stromkosten haben.
Zentral ist zudem, dass wir die deutsche Solarbranche für die Zukunft rüsten und so Arbeitsplätze sichern. Dafür müssen wir massiv Investitionen in Forschung und Entwicklung anreizen und fördern. Nur wenn die deutsche Solarindustrie technologisch führend, hoch innovativ und spezialisiert ist, kann sie zukünftig gegen die Billigkonkurrenz aus China bestehen.
Mit freundlichen Grüßen
Gabi Fograscher